In meinem Seminar „Lernen im Mitmachnetz“ für Lehramtsstudierende an der Uni Bremen hatte ich vergangenen Donnerstag Martin Riemer via Skype zu Gast. Er berichtete uns von seinen Erfahrungen, Weblogs in der Grundschule einzusetzen. Der auf dem „Medienpädagogische Kongress“ spontan ausgemachte Praxisbericht hat allen Beteiligten viel Spaß gemacht und einige interessante Punkte sowie nützliche Tipps hervorgebracht.
Martin Riemer bloggt seit acht Jahren und versucht seit fünf Jahren die „Kulturtechnik Bloggen1“ an die Berliner Schulen zu bringen. Erste Erfahrungen sammelte er an der Hausburg-Schule (hier ein Videointerview dazu). Seit zwei Jahren ist er nun freier Mitarbeiter an der Karl-Weise-Grundschule 2 in Berlin Neukölln und betreibt dort das Schulblog. Dieses übernimmt inzwischen fast die komplette Öffentlichkeitsarbeit. Martin hat hierfür in der Schulbibliothek eine Schreibwerkstatt eingerichtet, „die den Schülern als Sprungbrett ins Internet dient“. Ganz nach dem Motto: „Das ist eure Schule, also gestaltet sie auch mit.“
Hier nun thematisch gruppiert die Essenz aus dem Interview:
Organisatorisch
Martin betreut interessierte Schülerinnen und Schüler beim Schreiben eines Beitrags. Ausgewählt werden diese vorab durch die ErzieherInnen, die zunächst den Bedarf feststellen. Der Beitrag wird anschließend von den Mitschülern beurteilt, ggf. überarbeitet und erst dann auf dem Schulblog veröffentlicht. Dieser Prozess kann bis zu zwei Wochen dauern. Eine Integration ins Curriculum findet bisher nicht statt, aber wegen des großen Interesses in der Kollegschaft wird bereits daüber nachgedacht.
Inhaltlich
Die Themenwahl ist völlig frei, ob Gruselgeschichte oder frei aus dem Alltag. Häufig werden die Geschichten auf unterschiedliche Art umgesetzt: entweder nur textuell, um die Schreibfähigkeit zu verbessern oder vorgelesen, um die Lesekompetenz zu fördern. Diese Beträge können dann auch von den Eltern zuhause angehört werden, wo es wohl schon das ein oder andere Mal überraschte Gesichter gab: „Was das ist von dir? Und du kannst so gut Vorlesen?“. Letztlich ist eine „Schule eine unglaubliche Wissensgesellschaft in sich, wo ganz viele Produkte entstehen – eigentlich könnte man hier noch viel mehr produzieren“ erzählt Martin.
Technisch
Das Schulblog ist bei blogger.com „geparkt“, was zum einen kostenlos (Schulen haben kein Geld) sowie einfach in der Installation und Nutzung ist (ohne HTML-Kenntnisse) und zum anderen der zügigen Verbreitung zuträglich war. Nach einem halben Jahr Anlaufszeit kamen auch durch die Verbreitung in diversen Netzwerken von Martin hohe „Klickzahlen“. Kommentare – bisher nicht viele – werden von Martin moderiert. Produktionsmittel ist lediglich ein Laptop mit internem Mikrofon und Kamera. Tipp von Martin: „Wenn ihr spontan in eine Klasse gehen wollt, fangt nicht mit großer Kabelasche an, das bremst die Neugierde der Kinder total. […] Ihr müsst lernen schnell produzieren zu können.“
Rechtlich
Abgesichert hat sich die Schule über Einverständniserklärungen von den Eltern, mit der Bitte die Wissensprodukte der Schüler und Schülerinnen auch abbilden zu dürfen. Nur wenige haben etwas dagegen. Den Umgang mit Urheberrechtsfragen geht Martin wie folgt an: in Schulklassen 1-3 werden nur selbst erstellte Produkte eingebaut – „Nimm kein Bild aus Google, sondern mal es selbst und ich zeige dir, wie man es einscannt.“ Älteren Jahrgängen (ab 4. Klasse) bringt er die Creative-Commons-Suche nahe. Verantwortung legt Martin auch bei der Frage zum Recht am eigenen Bild in die Hände der Schülerinnen und Schüler und schickt sie auch schon mal zum Rektor, mit dem Auftrag selbst zu erfragen, ob sie ein Bild mit ihm im Netz veröffentlichen dürfen.
Warum sollte man in der Schule bloggen?
Drei Vorschläge zum Start:
- „Kommt in Neukölln zum Hospitieren vorbei!“
- „Fangt möglichst früh an, Weblogs in der Arbeit einzubinden. Aber nicht in den Vordergrund rücken, da die Angst von Kollegen, die die Arbeit in diesem Medium nicht gewohnt sind, schon groß ist.“
- „Fangt langsam an […] und stellt die Ergebnisse den Kollegen vor, um sie von dieser besonderen Ästhetik zu überzeugen.“
Alternativ könnte man es als Schulzeitung einführen. Am besten funktionierten jedoch „subversive Strategie“…
Fazit: Bloggen macht glücklich! Gerade „Jung-LehrerInnen“ sollten entweder selbst bloggen, um sich mit Kollegen auszutauschen oder ein Schulblog einrichten: „Mit einem Schulblog könnt ihr nicht nur eure Arbeit abbilden, sondern auch der Schule ein Gesicht geben!“
Wer möchte, kann sich hier das ganze Interview ansehen:
Erfahrungen zur verwendeten Technik beim Interview: Da ich letzte Woche in Ilmenau weilte und meine studentischen Hilfskräfte das Seminar vor Ort in Bremen übernahmen, waren wir auf eine Dreier-Videocall angewiesen. Das ursprünglich eingeplante Google Talk bot nur Video zwischen zwei Personen. Skype tut dies zwar auch, gegen einen Aufpreis von 6 Euro im Monat bekommt man aber die Möglichkeit mit mehr als zwei Personen einen Videochat durchzuführen (bis 10 Personen). Hierbei muss nur ein/e Beteiligte/r über einen Pro-Account verfügen. Erfreulicherweise hat das ganz gut funktioniert, was auch die Aufzeichnung deutlich macht. Hierbei kam übrigens der Skype-Call-Recorder in einer Demo-Version zum Einsatz, der sogar alle drei Video-Quellen aufzeichnet. Leider blieb ab Minute 40 das Bild von der Seminargruppe hängen, aber ansonsten funktionierte das erstaunlich gut.
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