Learnify your daily work! – Fazit einer Circle-Lernreise

Seit gut zwei Jahren beschäftigt mich nun schon der Einsatz von Learning Circles im Arbeitsalltag. Über dieses Social Learning-Format wird vor allem versucht, das selbstgesteuerte und konnektive Lernen von Kollegen*innen über Weiterbildungsthemen im Austausch mit- und voneinander zu fördern und damit im Kern, die 20% bzw. im weiteren Sinne die 70% des Lernens am Arbeitsplatz anhand des 70-20-10-Modells nach Lombardo-Eichinger zu bedienen. Nach einigen gesammelten Erfahrungen und einem pandemiebedingt erneut herausfordernden Jahr ist es daher zum Jahreswechsel Zeit für einen tieferen Rück- und Ausblick, welche Herausforderungen und Chancen Learning Circles und besonders die Methode des ePortfolio-Lernens beim Modern Workplace Learning bieten können.

ePortfolio-Learning
Abbildung Selbstgesteuert-konnektives Lernen mit ePortfolios (Sketchnote von Katrin Mäntele unter CC BY 4.0)

Vor einem Jahr hatte ich zum ersten Mal über unsere Initiative, die aus der Corporate Learning- und lernOS-Community entstand, berichtet und den gemeinsam erstellten ePortfolio Learning-Leitfaden in einer ersten Version hier im Blog veröffentlicht. Inzwischen hat sich unternehmensübergeifend Einiges im Umfeld getan – sowohl aus der Community heraus fanden verschiedene Learning Circle-Reisen statt, u.a. mit Ansätzen zum Sketchnoting und Getting Things Done bei SAP und mit Bezug zu Diversity und Inklusion bei Datev und es wurden weitere spannende Initiativen aus der dynamischen lernOS-Bewegung gestartet, u.a. zum Community Management, zur digitalen Zusammenarbeit etc.
Auch das etwa 9-monatige Pilotprojekt zum Einsatz der beiden Content Curation- und ePortfolio Learning-Leitfäden bei Continental verlief bis zum Frühjahr 2021 in Zusammenarbeit mit dem überaus kreativen Lernhacks-Team rund um Jan und Stefan sowie dem hochkompetenten und erfahrenen Cogneon-Gründer Simon insgesamt sehr erfolgreich und konnte intern größere Aufmerksamkeit und Interesse für eine weiterführende Etablierung wecken, was mich sehr freute und bekräftigte, diese Lernreise weiterzugehen 🙂

Ein erstes detailliertes Fazit aus dem Pilotprojekt hatten wir bereits Ende März unmittelbar nach Abschluss des Piloten zusammen mit meiner Projektkollegin Anja und Harald im Teil 3 der New Workplace-Interviewreihe von Thomas gezogen – damals noch ganz frisch geprägt von den ersten Auswertungsergebnissen:


Diese Erkenntnisse wurden auch auf dem virtuellen CoLearn-Frühjahrscamp #clchh21 und zusammen mit unserer damaligen Masterandin Celina Ende Juni als Session bei der lernOS Convention #loscon21 vertiefend dargestellt.

Schließlich durften meine Kollegin Anja und ich im Juli die zum damaligen Zeitpunkt weitgehend finalen Erkenntnisse und Auswertungsergebnisse beim c3 Community-Managers BarCamp #C3Managers und später beim CLC Lunch&Meet (Online-Stammtisch) #cl2025 aufzeigen:

Nach längeren Vorarbeiten und einem intensiven halbtägigen Mini-Hackathon mit Simon Ende Juli ging der ePortfolio Learning-Leitfaden dann auch endlich auf lernOS.org im dortigen GitHub-Repository zweisprachig und in verschiedenen Publikationsformaten online 🙂 Dazu nachfolgend nochmal die entsprechenden Links:

Lernpfad ePortfolio Learning
Abbildung Lernpfad ePortfolio Learning (Sketchnote von Katrin Mäntele unter CC BY 4.0)

Ab Mitte September 2021 starteten wir schließlich intern gemeinsam mit unserem Kollegen Ruben aus Group HR Global People Services in einem leicht veränderten Setting und mit den Erfahrungswerten aus dem Piloten in die tatsächliche Implementierung von Learning Circles als Teil des dort verankerten „Learning Business Partner Enabling Program„, um sozusagen auch die Feuertaufe unter L&D Experts zu bestehen. Und nach dem üblichen 3-monatigen Lernsprint gelang es tatsächlich über Höhen und Tiefen bis Anfang Dezember etwa 15 Learning-Experten*innen erfolgreich als Circle Finisher ins Ziel zu bringen, was mich im Zusammenspiel mit allen Beteiligten richtig stolz machte! Eine zentrale Erkenntnis aus den Reihen der Teilgeber*innen war, dass die weiterhin insbesondere zu Beginn als hoch wahrgenommenen Aufwände sich auch diesmal gelohnt haben und einige das Lernformat sogar in ihren zukünftigen Learning-Szenarien und -Programmen mit einbauen wollen 🙂 Ein toller Erfolg verbunden mit einem Dankeschön an das Team und alle Mitwirkenden!

Abschließend möchte ich nun versuchen, ein Resümee aus den bisherigen Einsatzszenarien zu ziehen und die 7 wichtigsten Kernaspekte als Lessons Learned für zukünftige Einsatzszenarien festzuhalten, die sich bei der Nutzung von Learning Circles als Peer Learning-Format aus meiner Sicht letztlich ergeben haben – natürlich immer mit dem Fokus aus eigenen absolvierten Learning Circles und dem 2-maligen Einsatz des ePortfolio-Learning Leitfadens:

  1. Ein guter Einstieg ist DIE Basis für eine produktive Circle-Eigendynamik.
    Bringt als Teilgeber*in am besten ein bis maximal drei gemeinsame Themen pro Circle mit oder gebt als Organisierende beim Circle-Onboarding zu Beginn gezielte Themenangebote (eine Art Short List oder Katalog). Diese können dann idealer Weise direkt auf der Lernreise vertieft werden. Alternativ versucht gemeinsam im Circle-Kickoff das oder die passenden Themen zu finden, an denen Ihr in den kommenden drei Monaten arbeiten wollt. Natürlich ist das nicht zwingend erforderlich, aber es hat sich herausgestellt, dass eine Themenvertiefung in Learning Circles besser geeignet ist als eine Themen- und Zielfindung in den ersten Wochen (Stichwort: Zeitverluste in der Findungsphase)
  2. Das Aufwand-Nutzen-Verhältnis transparent und positiv gestalten.
    Der individuelle Nutzen für die Circle-Teilgeber*in sollte jedem spätestens nach den ersten vier Wochen gegenüber den Einstiegsaufwänden bewusst werden. Und hier verbirgt sich sicherlich die größte Herausforderung beim konnektiven Lernen in Circles. Denn diese positiven Erfahrungswerte können letztlich nur persönlich im Lernprozess gesammelt werden und sind letztlich auch von der Eigendynamik im Circle abhängig. Daher sollten solche Erkenntnisse offen und sensibel immer wieder bestmöglich gegenseitig angetriggert werden. Ein schnelles, klares Ziel und Themenfeld sowie das gegenseitige Gespür füreinander und / oder ein Ohr an der Lernschiene von Seiten des Orgateams helfen bei der Verwirklichung dieses Kernaspekts ungemein!
  3. Proaktive Begleitung und gegenseitige Impulse aus den Reihen der Teilgebenden und Organisierenden sind enorm wertvoll und hilfreich.
    Ein gemeinsames, ggf. circle-übergreifendes KickOff hilft zur einführenden Klärung der Rahmenbedingungen, der Circle-Methode sowie der Erwartungshaltung und Motivation und kann die erste Themenfindung bereits maßgeblich unterstützen. Sehr empfehlenswert und seit diesem Jahr zunehmend etabliert haben sich auch (übergreifende) Pitstops idealer Weise in Woche 4 und 8 der Circles. Hier können Zwischenstände ausgetauscht oder auch Rückfragen an die Organisatoren gerichtet werden. Nicht zuletzt hilft ein gemeinsames Closing Event, hilfreiches Feedback zu geben, über entstandene Circle-Ergebnisse und / oder Produkte zu berichten und eine tolle Wertschätzung des Erreichten z.B. mit Hilfe eines Finisher Badges zu geben (Stichwort: Erfolge feiern und würdigen). Darüber hinaus können Inputs von externen Experten oder Gästen zu bestimmten Themen weitere wertvolle Impulse während der Lernreise setzen, müssen aber ggf. als Zusatzaufwand berücksichtigt werden.
  4. Den Zeitraum angemessen festlegen
    Startet nach Möglichkeit in einem ganzheitlichen Zeitfenster, das durch längere Abwesenheitsphasen nicht stärker gesplittet werden muss (z.B. durch die Weihnachts- oder Sommerpause). Idealer Weise sind das Zeiträume im Frühjahr zwischen Mitte Februar und Anfang Juni oder im Herbst zwischen Mitte September und Anfang Dezember. Von organisatorischer Seite ist es auch sinnvoll wenn möglich 1 bis 3 Wochen Puffer im Rahmen der Lernreise für Übergangs- oder Ausfallzeiträume einzubauen. Das hilft, um sich selbst als Circle nicht zu stark unter Zeitdruck zu setzen oder ggf. auch eine Woche Pause zu gönnen, falls zu viele mal nicht können sollten.
  5. Den Zeitrahmen klar definieren
    Findet wenn möglich schon in der Vorbereitungswoche 0 gemeinsam einen verbindlichen und wöchentlich wiederkehrenden Slot für Euch, um einen gemeinsamen Lernrhythmus zu etablieren und Euren Austausch zu verstetigen. Zwar ist das auch nicht zwingend erforderlich, aber je flexibler ihr in das Finden der Zeitslots pro Woche geht, desto schwieriger wird es erfahrungsgemäß, sich immer wieder neue Freiräume im vollen Kalender zu schaffen. Es ist gar kein Problem, wenn es dann doch mal nicht alle zum vereinbarten Circle-Termin schaffen sollten, weil man sich gegenseitig im Nachgang (meist in der Folgewoche) wieder abholen kann. Das stärkt gleichzeitig den Circle-Zusammenhalt.
  6. Sich im Circle mit der passenden Zahl an Teilgebenden zusammenfinden
    Die angemessene Anzahl und Konstellation in den Circles ist ein bedeutsamer Faktor für den Lernerfolg. Aus eigenen Erfahrungswerten sind zur Einarbeitung in neue Themen eher größere Circles sinnvoll, um in kurzer Zeit möglichst viele Facetten und Perspektiven auf verschiedene Themen zu gewinnen (Stichwort: Diversitätsvorteil). Bei der Themenvertiefung ist eher ein Lerntandem oder bis zu drei Teilgebende im Circle sinnvoll, da man sich dann gemeinsam auf bestimmte Teilaspekte eines Themas fokussieren kann. Hier sollte man sich maximal 2 verschiedene Themen pro Circle vornehmen (Stichwort: Spezialisierungsvorteil). Generell empfehlen wir anhand der Auswertungsergebnisse aber eher kleinere Circles, damit man die begrenzte wöchentliche Zeit bestmöglich ausgestalten kann. Idealer Weise sollte ein Circle 3-4 Mitglieder*innen nicht überschreiten, denn bei einer Stunde Treffen pro Woche bleiben so ca. 15 Minuten Präsentations-/Redeanteil pro Teilgeber*in.
  7. Die Circle-Inhalte einschätzen und ggf. konsolidieren – Weniger ist oft mehr!
    Versteht die Circle Guides (= Leitfäden) von Anfang an als methodischen Orientierungsrahmen, um an Euren Themen zu arbeiten und nicht als Vorgabe, bei dem alles vom Wochentext über Links und Katas bis ins kleinste Detail durchgearbeitet werden muss! Findet für Euch die besten Katas, die Ihr im Circle gerne auch wochenübergreifend wiederholen könnt – schaut Euch Wocheninhalte an und entscheidet ggf. auch gemeinsam, diese nicht zu vertiefen, weil es Euer Thema nicht direkt voranbringt. Letztlich beinhaltet der Leitfaden Lernangebote, die Euch Halt geben können aber nicht zum Durcharbeiten zwingen wollen. Gleichzeitig konnten wir als Leitfaden-Autoren*innen anhand der Auswertungsergebnisse herausfinden, dass die Circle Guides und auch insbesondere der ePortfolio Learning-Leitfaden in seinen Texten noch prägnanter auf den Punkt, mit mehr Handlungsspielraum für die Circles und weniger akademisch aufbereitet sein sollte. Eine Aufgabe für eine konsolidierte Version 2.0, der ich mich unmittelbar im neuen Jahr stellen möchte (siehe auch unten beim MeinZiel-Jahresprojekt)
Timeline
Abbildung: Zeitlicher Ablauf eines Learning Circle-Sprints in Anlehnung an Visualisierung auf lernos.org (CC BY 4.0)

Ihr merkt schon: Natürlich ist dieser Beitrag ein Zwischenfazit und meine Circle-Lernreise keineswegs abgeschlossen, denn der Einsatz und die Erfahrungswerte entwickeln sich stetig weiter. Daher bin ich schon sehr gespannt, wie es im kommenden Jahr weitergeht, wenn wir an verschiedenen Stellen wieder Learning Circles nutzen werden!

Nach dem Aufruf von Karlheinz und Simon aus der Corporate Learning Community fürs kommende Jahr ein eigenes konkretes Learning-Ziel auszurufen, wenn möglich im Rahmen einer Blogparade zu initiieren und mit der Community zu teilen, möchte ich – wenn auch etwas verfrüht – schon heute mit diesem Blogbeitrag starten.
Das CoLearn-Jahresprojekt #MeinZiel22 wird für mich demnach drei Perspektiven haben:

  1. Aus fachlicher Sicht: Ich werde an der weiteren Verankerung von Learning Circles in der Unternehmenswelt arbeiten, den eigenen ePortfolio-Learning-Leitfaden weiterentwickeln und ggf. andere Leitfaden-Teams als Ratgeber unterstützen.
  2. Aus methodischer Sicht: Ich will wieder einen eigenen Learning Circle absolvieren. Geplant ist das diesmal übergreifend mit anderen Interessierten über die mir noch recht unbekannte GTD-Lernmethode. Wir starten ab Ende Januar organisiert über den brandneuen PeerFinder, der von Leonid in diesem Jahr erst entwickelt und veröffentlicht wurde. Vielen Dank auch für dieses tolle Tool! Wer noch mit durchstarten möchte, sei herzlich eingeladen -> hier gehts zur Gruppe.
  3. Aus technischer Sicht: Ich möchte Unterstützungsszenarien für Learning Circles z.B. über eine möglichst integrierte App als KI-Lernassistenz evaluieren und ausbauen, um sowohl die Teilgebenden als auch Organisierenden bei der Durchführung von Learning Circles und der Integration in ihren Arbeitsalltag gewinnbringend zu unterstützen. Erste vielversprechende Vorüberlegungen dazu gibt es schon und wir hoffen sehr, dass wir diese in 2022 weiter vertiefen und umsetzen dürfen!

In diesem Sinne bleibt es wirklich äußerst spannend und die mit dem Projekt verbundenen Schlüsselergebnisse (OKRs) müssen sich zum neuen Jahr definitiv noch finden!
Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen Wegbegleitern*innen, Ratgebern*innen und Mitstreitern*innen in diesem Jahr und freue mich auf den weiteren Austausch mit Euch zum Learning Circle-Format und weiteren benachbarten Lernansätzen, hoffentlich auch bald wieder im realen und nicht nur im virtuellen Raum – habt einen tollen und vor allem gesunden Start in ein lernreiches. neues Jahr 2022!
Stay connected and learn on,
Euer Marcel 🙂

Update 06.03.2022:
Im Education NewsCast Nr. 181 berichten Anja und ich über unsere Learning Circle-Erfahrungen bei Continental im Vergleich zu den Erfahrungswerten der offenen Circle-Reisen bei Cogneon von Simon, bei DATEV von Christian sowie bei SAP von Gerd und Thomas. Vielen Dank für den tollen Austausch!

Am 08.02. war ich beim IOMtalk zu Gast bei Björn von Kongress Media im Gespräch zu Lernreisen und ePortfolios fürs Modern Worklpace Learning. Vielen Dank für den umfassenden und lernintensiven Austausch – hier die Aufzeichnung via YouTube:

Und mich erreichte Ende Februar auch das OpenBadge zum Projektstart des CLC-Projektes #MeinZiel22, das ich gerne hier mit Euch teile. Vielen Dank für das schicke Badge!

OpenBadge MeinZiel22
OpenBadge MeinZiel22
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Über Marcel

Dr. phil. Marcel Kirchner ist seit Januar 2018 bei der Continental AG im Bereich Group Functions IT als Solution Manager für Collaboration Applications tätig und beschäftigt sich hier vor allem mit dem Schwerpunkt Modern Workplace Learning sowie dem Einsatz von Social Collaboration-Tools als Service Owner für SharePoint Online im Zusammenspiel mit anderen Applikationen wie z.B. Microsoft Teams und HCL Connections. Bis Ende 2017 war er als Collaboration-Berater und Trainer bei der GIS AG beschäftigt und half dort beim Aufbau der Corporate Learning-Abteilung. Als Diplom-Medienwissenschaftler war Marcel Kirchner bis Februar 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Promotionsstudent im Fachgebiet Kommunikationswissenschaft der Technischen Universität Ilmenau. Er beschäftigte sich hier mit dem Einsatz von Social Software und insbesondere E-Portfolios vor allem in der Hochschullehre.

4 Gedanken zu „Learnify your daily work! – Fazit einer Circle-Lernreise

  1. Harald Schirmer

    Vielen Dank für Deine Energie und tolle Leitung – es ist eine Freude zu sehen, wie sich alles entwickelt – und ein essentieller Schritt in eine neue Lernwelt.

    1. Marcel Beitragsautor

      Herzlichen Dank auch an Dich, Harald, für Deine Wertschätzung und die klasse Unterstützung bei all diesen Aktivitäten! Ich freue mich auf die weitere Fortsetzung mit Dir und Euch allen in den kommenden Monaten 🙂

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