Google Chrome is watching You!

Seit gestern ist es nun soweit, Google löst sich vom Zwang darauf zu hoffen, dass ihre Dienste und vor allem ihre Werbung richtig in den Browsern wie Internet Explorer, Firefox oder auch Safari dargestellt werden und veröffentlicht mit Google Chrome eine eigene Software zur Interpretation von Web-Inhalten.

Auch ich habe vergangene Nacht die neue „Wunderwaffe“ von Google gegen die Vorherrschaft des Microsoft-Browsers heruntergeladen, installiert und kurz angetestet. Sieht auch alles ganz „nett“ aus: mehr Sicherheit durch Tabs, die jeweils als eigene Browserinstanz verarbeitet werden, intelligente Browserzeile, die beim Eintippen erkennt, auf welche Seite man wahrscheinlich will und Thumbnails der meistbesuchten Seiten beim Öffnen eines neues Tabs.

Helge hat sich allerdings die Nacht noch die Nutzungsbedingungen von Chrome genauer angeschaut, um der Frage auf den Grund zugehen, was Google bewegt scheinbar selbstlos einen Browser zu entwickeln?

Erstes Fazit: Google Chrome bestimmt, was man vom Netz zu sehen bekommt!

„Ich frage mich nach der Lektüre der Bedingungen vor allem, ob ich diesen Browser jemals nutzen würde. Vor allem angesichts der Klausel 8.3 in den Nutzungsbedingungen zu Chrome (mit Service ist hier der Chrome Browser gemeint):

[…] Google behält sich das Recht vor (ist aber nicht verpflichtet), über einen Service verfügbare Inhalte sowohl vollständig als auch teilweise im Vorfeld zu analysieren, zu überprüfen, zu kennzeichnen, zu filtern, abzuändern, abzulehnen oder zu entfernen. […]

Auf gut Deutsch, G00gle kann und darf sehen was man surft und die Inhalte die man sieht verändern, filtern, ablehnen, und natürlich mit Werbung versehen, was in Punkt 17.3 auch explizit nochmal erwähnt wird.“

Quelle: Theta-Welle im Beitrag „Quaero: Ich suche!“ siehe unter Update vom 2.9.2008

Ein (scheinbar) erstes Opfer ist blog.de (Quelle: w&v-Newsletter vom 2.9.08). Über IE und Firefox heute keine Probleme bei der Darstellung, in Google Chrome bekommt man allerdings diese Fehlermeldung:

Google Chrome blockt Blog.de

Ist das nun eine Ausnahme/ein Versehen oder doch ein erster Vorgeschmack auf das, was Google eigentlich mit Chrome vorhat?

Ich auf jeden Fall bleibe bei Firefox, zumal ich hier mit Extensions wie CustomizeGoogle eher die durch Google dargestellte Werbung ausblenden kann und nicht den für mich relevanten Content.

Update 2008-09-04

Über Martin Ebner wurde ich gerade auf einen Artikel von teachernews.net aufmerksam. Dort wird Chrome zusätzlich als regelrechter „Datenspion“ enttarnt. Demnach wird jede Eingabe in die Browserzeile an die Großrechner von Google geschickt, um die User-Experience zu verbessern. Dies schafft Firefox 3 übrigens auch, speichert die dafür nötigen Daten allerdings auf meinem Rechner. Klar könnte man jetzt argumentieren, dass man dafür dann unabhängig von seinem Rechner über dieses tolle Feature verfügen kann. Aber wie soll das funktionieren, wenn ja mein Rechner/Browser einen eindeutigen Identifizierer bekommt? Woher will Google denn wissen, dass ich jetzt über einen anderen Rechner/Browser in den Genuss dieser Experience kommen möchte, ohne das ich mich zusätzlich bei irgend einem Google Dienst eingeloggt habe und Google damit meine Daten personalisiert hat?

In dem Artikel wird auch auf einen Blogpost von Niclas Carr eingegangen. Auch er schreibt, dass es für Google unausweichlich war selbst einen Browser zu entwickeln:

„To Google, the browser has become a weak link in the cloud system – the needle’s eye through which the outputs of the company’s massive data centers usually have to pass to reach the user – and as a result the browser has to be rethought, revamped, retooled, modernized.“

Allerdings sieht er das wahre Ziel von Google hierin:

„Its real goal, embedded in Chrome’s open-source code, is to upgrade the capabilities of all browsers so that they can better support (and eventually disappear behind) the applications. The browser may be the medium, but the applications are the message.“

Noch ’ne Anmerkung: Was macht Google Chrome eigentlich wenn es für ein paar Minuten unbeobachtet/von mir nicht genutzt wird? Kann Einbildung sein, aber nach knapp fünf Minuten hört sich meine Festplatte an, als würde sie gescannt werden. Schließe ich Chrome, ist die Festplatte wieder still. Hat das auch jemand beobachtet?

Update 2008-09-04 #2

Wie unten im Kommentar beschrieben, füge ich hier nun noch einen kurzen Screencast zur CPU-Auslastung von Google Chrome bei geschlossenen Tabs und Inaktivität des Nutzers an. Einfach mal vorscrollen und die CPU-Auslastung der Chrome-exe beobachten. Ist doch komisch, oder?

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Update 2008-09-06

Beim googeln habe ich auf folgenden interessanten Beitrag auf ZDNet gefunden „Datenschützer kritisieren Google Chrome„. Dort wird u.a. zum Paragraph 11 geschrieben:

Google hat bereits auf die Kritik der Datenschützer reagiert und die US-Nutzungsbedingungen von Chrome überarbeitet. Der umstrittene Paragraph 11 wurde gekürzt, in dem sich Google ursprünglich die unwiderruflichen und uneingeschränkten Rechte an allen übermittelten Daten gesichert hatte. Diese Klausel findet sich mit demselben Wortlaut auch in den Nutzungsbestimmungen von Google Docs. Nach der Änderung heißt es dort nur noch, dass alle Rechte beim Nutzer verbleiben. Die deutschen Nutzungsbedingungen enthalten bislang noch die alte Formulierung, sollen aber nach Angaben des Internetkonzern schnellstmöglich und rückwirkend angepasst werden.“

Das Spannende allerdings ist, dass Google innerhalb der letzten beiden Tage die deutschen Nutzungsbedingungen nicht gekürzt, sondern vollständig ersetzt hat! Als ich am 2.9. Chrome downloadete, bekam ich noch diese Nutzungsbedingungen (11 Seiten) mit Stand 15. August 2008 angezeigt und musste diesen zustimmen. Eben wurde mir unter dem im ZDNet-Artikel erwähnten Link nur noch diese stark gekürzten Nutzungsbedingungen mit Stand 23. Mai angezeigt (3 Seiten).

Ist das nur vorübergehend, bis man einen Übersetzer gefunden hat, der in der Lage ist diese drei Abschnitte aus Paragraph 11 zu löschen oder gelten nun andere Bedingungen für Deutschland?

Dies betrifft nach meinem Wissen nämlich nur die deutschen Nutzungsbedingungen, denn bei den US-Nutzungsbedingungen handelt es sich noch um die „alten“ mit Stand 15. August und mit dem nun stark gekürzten Paragraph 11. In diesem Zusammenhang klingt das ebenfalls in dem Artikel von ZDNet veröffentlichten Zitat von Google sehr ironisch:

‚Um die Dinge möglichst einfach für unsere Nutzer zu halten, versuchen wir, für alle Produkte dieselben Nutzungsbedigungen zu verwenden‘, teilte Google mit. ‚Manchmal, wie im Falle von Google Chrome, passen einzelne Passagen jedoch nicht zu einem speziellen Produkt.'“

Also für meinen Teil ist die Verwirrung nun erst recht groß geschrieben.

Der Vollständigkeit halber: Im englischen Original lautet der ganz oben angeprangerte Abschnitt 8.3 übrigens:

„[…] Google reserves the right (but shall have no obligation) to pre-screen, review, flag, filter, modify, refuse or remove any or all Content from any Service. […]“

Mal sehen wie lange…

Update 2008-10-08

Bereits am 1. Oktober 2008 hat Google im Chromium Blog in einem ausführlichen Post beschrieben welche Daten von Chrome bzw. Chromium (= das Open Source Projekt hinter Google Chrome) an wen gesendet werden. Hier gibt es eine deutsche Übersetzung im GoogleWatchBlog. Auch wenn es Google mit diesem Post schafft den Argwohn gegen die Sammelleidenschaft ein wenig zu dämpfen, muss weiterhin jeder für sich selbst entscheiden, ob er einem milliardenschweren Unternehmen vertraut, dass es nicht doch eines Tages „böse“ wird und all die gesammelten Daten zu ausführlichsten Profilen eines jeden einzelnen zusammenführt. Happy googeln 😉

14 Gedanken zu „Google Chrome is watching You!

  1. Tim Schlotfeldt

    Das ist schon ziemlich hervorstehend, wozu Google da das Einverständnis einfordert. Immerhin haben sie wenigstens keine Linux-Version von dem Ding rausgebracht 😉

    -Tim

  2. Pingback: [Google Chrome] - Probleme mit dem Datenschutz | Blogbase

  3. Helge Staedtler

    Thomas das mit der Festplatte kann viele Ursachen haben, z.B. optimieren sich manche Filesysteme wenn keine weitere Prozessorauslaustung/Aktivität durch den Nutzer da ist. Beim Mac z.B. arbeitet „Spotlight“ ein internes Suchprogramm regelmäßig am eigenen Suchindex.

    Und wenn da jemand die Platte scanned, kann man das zumindest unterm Mac ganz einfach mit dem UNIX-Befehl „lsof“ bzw. list of open files und einigen weiteren Befehlen schnell rauskriegen, wer da liest und schreibt. Lass doch einfach mal den taskmanager an, der zeigt dir ja die Prozesorauslastung durch das entsprechende Programm. Das wird sicher nicht Chrome sein, das da auf der Platte rumwirbelt- oder vielleicht doch, wer weiß.

    Ich hätte ja ne gute Idee, wie Google sein Backend-Tool zur Live-Analyse der ganzen Daten die sie von den Nutzern dann zukünftig bekommen über die Omnibox nennen könnten: CHROMATOGRAPH.

    Quasi das Tool zum Rausfinden, wieviele Leute auf der Welt grade an Barack Obama denken und wieviele an John McCain. So würde ich das Tool nennen, wer weiß wie es die Google-Mitarbeiter nennen.

    Echt ganz schön cool ist ja das Begleithandbuch in Form eines hippen Comic.

    http://www.google.com/googlebooks/chrome/

    Das ist wirklich beeindruckend, wie gut sie hier mit der Zielgruppe kommunizieren und auf welch innovative Art. Das Ding hat mich wirklich beeindruckt!

    1. Thomas Beitragsautor

      Hallo Helge, ich habe das eben nochmal über den Taskmanager von Windows gecheckt:
      Zunächst einmal ließ sich erkennen, dass Chrome, wie auch in dem wirklich guten Comic vorgestellt, pro Tab einen Prozess laufen lässt, plus eine „Rahmenprogramm“-exe und eine GoogleUpdate-exe. Wenn man eines der Tab-Prozesse beendet, wird der Inhalt des jeweiligen Tabs im Browser nicht mehr dargestellt. Entsprechend wurde Chrome beendet, als ich die „Rahmenprogramm“-exe geschlossen habe.
      Nach Schließen aller Tab-Prozesse und bei absoluter Inaktivität meinerseits, nutzte die „Rahmenprogramm“-exe von Chrome allerdings zwischenzeitlich bis zu 40% der CPU! Was macht Chrome in dieser Zeit? Es ist wie gesagt kein Tab auf, also gibt es doch eigentlich nix zu tun, oder? Leider habe ich kein Diagnose-Tool, um zu ermitteln, ob hierbei auch ein Austausch mit dem Internet stattfindet, doch merkwürdig ist das allemal!
      Zum Nachweis habe ich oben mal einen Screencast des beobachteten Phänomens angehängt. Einfach mal im Zeitraffer durchscrollen – ab 1:07 legt der CHROMATOGRAPH los ;-).
      Beste Grüße, Thomas

      1. Helge Staedtler

        Hab es mir eben mal angeschaut (das Video). Sieht tatsächlich so aus, als ob das was man da sieht per Timer wiederkehrende Aktivität von Chrome ist. Angeblich lädt es ja regelmäßig die neusten Listen von „Malware-Sites“ runter im Hintergrund, vielleicht ist es das. Aber dann wäre vermutlich kaum großartige Festplattenaktivität damit verbunden. Ist auch von meiner Seite müßig zu spekulieren. Ich warte auf die Mac-Version. 🙂

        Unterm Mac würde ich eine Kombination aus „sudo“ kombiniert mit „fs_usage“, „lsof -i“ und „ps -axwww“ verwenden, sowie einmal „top -u“. Alternativ dazu noch „Little Snitch“ aktivieren.

        Dann ist allerspätestens klar, was da genau passiert. Aber unter Windows… hab ich keinen Schimmer, was man da tun muss.

        Klar bleibt, dass Google ganz hervorragende Arbeit geleistet hat. Denn der Browser ist tatsächlich auch in Sachen Usability wie es aussieht eine Granate. Aber genau so muss ja auch ein Produkt beschaffen sein, dass man sich kostenlos und gerne ins Haus holen möchte. Es muss besser sein als alles andere.

        Ich hoffe drauf, dass Firefox die Sache mit den einzelnen Prozessen übernimmt, das ist ein echter Fortschritt, dass eine üble Seite nicht den ganzen Browser in den Orkus reißt. Und die V8-JS-Engine können sie ja auch einbinden. bis dahin bleibe ich erstmal bei meinem Camino – Browser (siehe http://caminobrowser.org/).

        1. Thomas Beitragsautor

          Da kann ich Dir nur zustimmen, das Feature der einzelnen Prozesse je geöffnetem Tab ist einfach klasse! Einfacherer geht es nimmer eine abgeschmierte Seite zu schließen, ohne auch auf alle anderen geöffneten Seiten verzichten zu müssen. Hoffe ebenfalls inständig, dass auch Firefox dies bald mit einbaut, so wär Google Chrome ja wirklich für was nütze.
          Bis dahin bleibe ich dem „brennenden Fuchs“ treu…

  4. Thomas Heidler

    Hallo,

    das Problem mit der Festplatte konnte ich auch beobachten. Kurz nachdem ich Chrome geöffnet habe, geht das „Geratter“ los. Sobald ich ihn schließe ist Schluss. Daher nutzte ich jetzt wieder Firefox.

  5. Robert

    Das Geratter ist bei mir auch und hängt eindeutig mit Google Chrome zusammen (habe das über einige Tage hinweg ausprobiert).
    Momentan (im FF unterwegs) sagt der Taskmanager aber auch, das Googleupdate läuft. Mag sein, dass das was ausmacht, aber eigentlich kann das gar nicht sein.
    Ich teile daher das ungute Gefühl, dass da etwas mit meiner Festplatte gmacht wird, was ich nicht veranlasst habe und im Zweifelsfall auch nicht möchte.
    Sehr schade, denn der Browser ist wirklich rasend schnell, verbraucht deutlich weniger Systemressourcen (FF knapp 80 MB, Google 3x17MB) und ist simpel und intuitiv zu bedienen.
    Ich mag auf meine AddOns nicht verzichten, daher brauche ich meinen FF ohnehin.
    Aber wenn Google nachbessert (Datenschutz), wird dieser Browser den IE verdrängen. (Endlich)
    LG
    Robert

  6. PaW

    Mit dem kostenlosen Process Monitor von Microsoft (procmon.exe – gibts irgendwo auf deren Website) kann man beobachten was Chrome.exe so macht – welche Dateien es öffnet, schreibt, liest etc. Einfach da mal reinschauen.
    Bei mir liest und schreibt er nach dem Start einige Minuten lang in seinem Anwendungsdaten-Ordner herum, dann kehrt irgendwann Ruhe ein.

  7. Proband

    Chrome macht doch nix anderes als der Rest der Browser. Aber weil es Google ist, kommen die Dauernörgler wieder hervorgekrochen

  8. sigmund

    Wo ein Großkonzern expandiert, sind halt auch die Verschwörungstheoretiker nicht weit entfernt.

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